As Time goes by -

23.03.2017 Koenige daHEIM

Woher kommen jetzt plötzlich all die Ahmads? oder "I don't want to be a Queen"

Betrachtungen | 8. bis 23. März

Ich kann mich nicht erinnern, in den zweieinhalb Jahren HEIMzeit in der Staakener Straße einem ebensolchen Namensträger begegnet zu sein. Es war die Zeit der Mohammeds, Mohammads, Muhameds , Muhammads, Hamudis, Hamoudis und des Hamdschi, der sich auf Facebook Mohammed Dutchland nannte, - wir vergaben Beinamen um nicht durcheinander zu geraten, nennen den einen Mohammed Beton und den anderen Mohamed Archäologe. Mohamed Soubeh ist Fachmann für byzantinische Kunst. Die kostbar gefügten Mosaike des Syrischen Ma'arra Museums, die er pflegte, liegen seit 2015 - staubblinde Scherben - unter Trümmern. Mohamed Archäloge hat mit seinem Reichtum an Geschichte(n) die Theaterplattform innerhalb der KÖNIGE begründet.

Aus dem HEIM in der Staakener Straße haben wir uns nach über zwei Jahren zurückgezogen. Brachgelegt liegt das Gebäude wie eh und je an ödem Orte. Kein Gartenstuhl steht mehr auf dem Hof. Wären da nicht die Kinder, die das Draußen suchen, um dem Drinnen zu entgehen, wer könnte ahnen, dass hinter der schiechen Fassade Menschen leben. Jetzt ist es wieder ein HEIM und nicht mehr daHEIM. Die Geschichte ist lang und an anderer Stelle zu erzählen.

Die Deichsel des Bauwagens blockierte. Ivans Blick verfing sich in den Baumkronen. „Genauso war das als wir vier Tage im Dschungel in Bulgarien waren“. Die Mutter des 12-jährigen Jungen gab Anweisungen, wie der Bauwagen durch das lichte Gehölz zu lenken ist. „Wir haben nicht geschlafen“, fügte Ivan an. Sein Blick senkte sich ab auf das Tun seiner Mutter. „Sie war schon immer wie ein Mann“, grinste er. Der Wagen rollte auf die kleine Lichtung, die den interkulturellen Garten des SOS Kinderdorfes in Gathow zum Wald hin abgrenzt. Seine Farben leuchteten. Ahlam bückte sich, grub ihre Hand in den Boden, rieb Erde. Die kurdische Familie betrieb Landwirtschaft in Kamishli. Jedes Kraut war ihr ein Bücken wert, sie roch an jedem Blatt.

„Love comes slow and goes fast“, Lamin improvisierte ein Songtext über Verlust. Der Reggaesänger stand auf den Treppenstufen des Eingangsportals des Museum Europäischer Kulturen. Neben ihm Babacar, Ebrima, Mustafa. Die vier Männer sind aus Gambia nach Deutschland gekommen. Pause für die Percussiongruppe der KOENIGE. Zainab spazierte im Garten der Träume. Sie ist Somalierin. Zainab wohnt jetzt da, wo einst die Zigarettenfirma British American Tabacco Raucherbedarf produzierte. Die Firma siedelte bereits 1999 nach Bayreuth um, aber noch immer findet man entsprechende Einträge, wenn man 'Mertensstraße 63' googelt. Aus den einst 450 Arbeitsplätzen der Produktionsstätte wurde 2015 Lebensraum für 800 Menschen.

Die Berliner Stadtmission zeichnet verantwortlich für die Notunterkunft. In der Staakener Straße war Bereket unter circa 100 Menschen aus fünfzehn Nationen über ein Jahr lang der einzige Vertreter aus West-, Zentral-, oder Ostafrika. Während die Welt an der Spandauer Peripherie zum Industriegebiet mit den Abschiebungen nach Bosnien, Serbien, dem Kosovo und Albanien kleiner geworden ist, breitet sie sich in ihrer ganzen Unbegreifbarkeit in der riesigen Haupthalle des umgenutzten Fabrikgebäudes in Hakenfelde aus. Menschen sitzen auf Sofas zwischen Grünpflanzen in Hydrokultur, lümmeln, warten, die alte Frau aus Vietnam döst, alle sprechen in ihre Smartphones, unterhalten sich mit einem Gegenüber, Familienmitglied, Freund oder Zufallsbekanntschaft. Auch der Friseur hat sein Geschäft auf, die Hungrigen bewegen sich zum Büffet und die mit beschleunigtem Schritt durch die Halle eilen, gehen zum Sprachkurs, zum Anwalt, zum Amt. Die farbigen Kleider der Frauen aus Somalia zeugen von der Ferne, aus der die Menschen gekommen sind.
Dreh- und Angelpunkt – wer noch nie in einer der großen Einrichtung für Asylsuchende war, stelle sich eine Flughafenhalle vor. Die Anzeigentafeln bleiben schwarz und stumm. Keiner weiß, wie es für ihn weitergeht.

Wir haben viele Menschen kennengelernt seit wir am 8. März mit einem Satelliten der KÖNIGE in der Mertensstraße gelandet sind: Schmerzlich, der Abschied von der Staakener Straße, herzlich das Willkommen in der Mertensstraße. Céline teilt an zwei Tagen in der Woche ihre Textilwerkstatt mit uns. Die Recycling-Künstlerin ist für das Nützliche und Schöne gleichermaßen zuständig: Vom Bügeln zum Kreieren und Kommunizieren. Ferhat haben wir bei ihr getroffen und Zainab, Liman und Babacar, Ebrima und Mustafa, Masud, Ali, Bayad und Basim, Aid, Miran , Hani, Ali und Sultana. Einige von ihnen proben jetzt gemeinsam mit uns im Museum Europäischer Kulturen die KÖNIGE.

Die Ahmads übrigens haben auch Beinamen. Der eine ist Ahmad Ballet und der andere Ahmad Film. Ahmad Musik hat uns leider wieder verlassen.




 

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time out

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Kinan assistiert irritiert dem Abtransport des Bauwagens.

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Wiederherstellung des Zustandes von 2015. Auch der Garten musste rückgebaut werden.

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Ein Ort, nirgends

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KUNSTASYL rollt weiter - Thoben bleibt

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Time out

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Ewa, Assil, Ali, Haval .... Die Kinder der Staakener Straße geleiten den Bauwagen zu seinem neuen Standplatz

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Von der Brache auf die Lichtung: Der Bauwagen steht nun im Gemeinschaftsgarten des SOS - Kinderdorfes in Gatow

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Notunterkunft Mertensstraße - Durchschnittlich 800 Menschen wohnen seit 2015 in der ehemaligen Zigarettenfabrik

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Susann Azizi, Bildhauerin aus Teheran, Dachil und Hani beim Aufbau des Zeltgerüstet, welches als Grundlage für die Installation dient. Die von der Hamburger Firma MTS entwickelten "Domos" dienen als Schutz- und Kommunikationsräume in Krisen-, und Kriegssituatinen.

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Krönung der Könige - Miran und Ferhat am 8. März

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"Wenn ich ein König wäre, dann würde ich...."

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Königliche Dekrete der BewohnerInnen der Einrichtung

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Lamin - Der Mann aus Gambia arbeitete als Dedektiv. Lieber singt er Reggae.

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Charlotte Danoy Kent - Sie verantwortet die Zeltgestaltung in der Mertensstraße mit.

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Ferhat verlegte seit seinem 17. Lebensjahr Steinfließen. Jetzt beweist er Fingerspitzengefühl an der Nadel.

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Portait eines Bewohners der Notunterkunft von Ferhat auf Plastikfolie genäht

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Ferhat: Koenig@Mertensstraße